Ich bin besser

Temporeich und nicht schwarz und weiß – obwohl dies die Haare der namensgebenden Hauptdarstellerin vermuten ließen. Die nicht spoilerfreie Kritik zu meinem ersten Film „nach dem Lockdown“ – oh, wie wir diese Worte nicht mehr hören können – von Craig Gillespie. Die Vorgeschichte zu Ikonebösewichtin Cruella de Vil.

Der Satz „Ich bin besser“ schwinkt in fast jeder Handlung der kleinen Estella mit, die in ihrer Kindheit ständig gegen die eigenen Dämonen kämpfen muss. Ihre Mutter hat es nicht leicht und schärft ihr ein, gegen Cruella anzukämpfen und die brave Estella zu zeigen. Dass dies der namensgebenden Schurkin nicht gelingt, ist abzusehen, wird sie doch aufgrund ihres Anderssein in der Schule gemobbt, vom Unterricht ausgeschlossen, muss mit ihrer Mutter nach London fliehen – und verliert diese prompt an das Meer. Mit ewigen Schuldgefühlen geplagt zieht sich Estella nach London zurück, in der sie zwei weitere Gesichter aus dem Zeichentrickanimationsfilm von 1996 kennenlernt: Horace und Jasper.

Vorweg lässt sich sagen – das Cast ist grandios besetzt. Emma Stone als Cruella macht ihrem Namen alle Ehre und schafft es durch ihr Spiel im Hin-und-Her zwischen Cruella und Estella, dem Zuschauer immer zu zeigen, wo es langgeht. Ist jetzt die gute Estella auf dem Schirm oder die böse Cruella? Schlussendlich macht dies keinen Unterschied, kämpft sich doch immer Cruella an die Oberfläche zurück und zeigt das wahre Ich von der Modedesignerin.

Und auch sie lebt einen klassischen „American Dream“ – vom Straßendieb über die Putzkraft in einem sehr exklusiven Modehaus schafft sie es durch eine Schaufensterdekoration in die Schneiderei der Baroness (Emma Thompson). Ab dort erinnert der Film ein klein wenig an „Der Teufel trägt Prada“ – nur trägt er hier anstelle von Prada die ausgefallensten Kleidungsstücke, die der Film mitunter zu bieten hat. Die Kostüme sind ein echter Hingucker und lassen den Zuschauer tief in die unerbittliche Modewelt eintauchen.

Untermalt wird der Film vom orchestral-rockigen Klang von Nicholas Britell’s Soundtrack. Besonders die Szene, in der sich Estella-Cruellas-Modeschöpfung als, sagen wir mal, Kampfmittelbeseitigung für die Sommerkollektion von der Baroness entpuppt, kommt der Film musikalisch und bildgestalterisch an einen (der zugegebenermaßen wenigen) Höhepunkte. Doch hier wiegelt das Spiel von Emma Thompson alle Falten glatt. Sie spielt eine kaltherzige und karrieregeile Modeschöpferin, die nur an den Entwürfen ihres Personals herummäkelt. Man fragt sich als Zuschauer unweigerlich, ob sie es selbst auf dem Kasten hat, da sie in keiner einzigen Sekunde des Films selbst eine Zeichnung anfertigt – nicht mal, um Cruella mit einer eigenen Kreation die Stirn zu bieten. Denn die Kleidung von ihr hat es in sich: eine Mischung aus Goth, Leder, ungewöhnlichen Stoffen und Farben – es ist alles dabei. Sogar ein Kleid, das so groß ist, dass es wie ein Haufen zerfledderter Kleidungsstücke aussieht und Cruella elegant aus einem Müllfahrzeug ausspuckt.

„Cruella“ ist beiweiten kein innovativer Film, denn die Disney-Formel – schwierige Familie, Tod der Eltern, Fragen über die Herkunft, kein besonders überraschender Wendepunkt, die große Rache am Schluss, das Happyend – kommt auch hier zutrage. Dennoch fühlt sich der Film nicht an, wie vom Reißbrett, da er die Handlung aus „101 Dalmatiner“ sinnvoll vorbereitet und – was mir als Zuschauer immer besonders wichtig ist – authentisch und nachvollziehbar wirkt. Lediglich die Szene, in der Cruella vor dem Feuer gerettet wird; dieser Baustein im Drehbuch wirkt doch sehr konstruiert.


Cruella (2021)

Regie: Craig Gillespie
Länge: 134 Minuten
Kinostart (D): 27.05.2021

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