Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.
Franz Kafka
Es klopfte an der Tür. Carry war müde und noch nicht angezogen. Warum klopfte es in dieser Frühe an der Haustür? Sie ging durch die Küche und in den Flur. Sie hatte einen Bademantel an und öffnete die Tür. Im Treppenhaus standen Josh und Jesse. Carry grinste. „Wie kommt es?“, fragte sie. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“, riefen die beiden Jungen zusammen und überreichten Carry ein kleines verpacktes Paket, das etwa die Größe eines Schuhkartons hatte. „Danke schön“, rief Carry, erfreut, dass die beiden Jungen ihren Geburtstag nicht vergessen hatten. „Kommt doch rein“, sagte sie und bedeutete den beiden, einzutreten. „Mein Vater und meine Mutter sind arbeiten“, murmelte Carry als Entschuldigung dafür, dass sie allein war.
Ihre Eltern mussten auch sonntags arbeiten, da die beiden für größere wichtige Betriebe arbeiteten, die den Regeln und Launen der Kanzlerin ausgesetzt waren. Dann nahm das rothaarige Mädchen Platz und entfernte das Geschenkpapier, das den Karton einhüllte. Als Carry den Gegenstand erblickte, war sie völlig perplex. „Danke“, hauchte sie. Es war eine transparente Schachtel, in der eine Armbanduhr mit orangefarbenen Armbändern lag. Anstelle des Ziffernblattes war ein Foto der Familie Silva in der Uhr. „Gefällt sie dir?“, fragte Jesse und hoffte inständig, dass Carry mit Ja antwortete. Stattdessen nickte sie nur und erhob sich. Dann umarmte sie die beiden Jungen nacheinander. Carry hatte sich die neue Uhr direkt angezogen und nun gingen die drei Kinder, da Sonntag war, direkt zur Fabrikhalle.
Sie kamen schnell in der Fabrikhalle an. Das große Tor war verschlossen und nur eine kleine Tür, die innerhalb dieses Tores gebaut war, stand offen. Carry, Jesse und Josh traten ein und sahen Acia mit anderen Controllern um den Tisch sitzen, der nahe der Bühne aufgestellt war. „Morgen zusammen!“, rief Acia, als sie die drei kommen sah, und sprang auf. „Carry. Herzliche Glückwünsche zum Geburtstag.“ Die Anführerin der Controller reichte Carry die Hand. „Jesse und Josh haben’s mir gesagt.“ – „Danke“, sagte Carry und ließ die Hand des anderen Mädchens los. Dann setzten sich alle hin und brüteten weiter über das Bild und den Stadtplan. „Wir vermuten“, sagte Acia. „dass das Arkanum der Erde bei den Alten Gräbern liegt.“
„Ja. Aber wo dort?“, fragte Jason, der die Antwort direkt wusste. „In dem Buch von Locor Narcana heißt es: Im Mausoleum der Ragami. Fragt Gwenna.“
„Und wer ist das?“, fragte Jesse.
„Das wissen wir nicht“, gab Caitlin zu. „Aber wir müssen es herausfinden.“
„Und wenn die Kanzlerin schneller ist? Immerhin hat sie ja schon zwei Arkana“, sagte Lionel.
„Sei doch nicht so pessimistisch!“, erwiderte Giada laut und starrte auf die Karte mit den historischen Orten, auf der die Karte, die Iris vergrößert hatte, lag. „Aber nur hier gibt es eine Überschneidung!“, murmelte Carry und deutete auf die Stelle, auf der der Punkt und die Alten Gräber eine Kollision bildeten. „Nein!“, stellte Jason erschüttert fest. „Wir haben einen Fehler gemacht!“
„Was für einen?“, fragte Josh.
„Die Karte von Locor Narcana ist rund… Moment…“ Jason scannte die Karte, die Locor Narcana um den Hals trug, ein. Dann öffnete er sein Algorithmusprogramm und tippte auf der Tastatur herum. „Und erstellen“, murmelte der Junge und öffnete sein Development Studio, in das er die Datei aus dem Algorithmusprogramm hineinkopierte und dann kompilierte. „Seht mal“, sagte er. „Iris hat die Karte falsch vergrößert. Richtig muss es so aussehen!“ Er schickte einen Befehl per Tastaturdruck an die große Druckerpresse und kehrte kurz darauf mit einem großen Bogen grauen Papiers zurück. Dann riss er eine Schicht von der Rückseite des Papiers ab und legte das nun dünnere Papier auf die Karte, die Acia am Vortag mitgebracht hatte. „Seht mal“, murmelte Jason. „Jetzt haben wir drei Kollisionen. Und zwar…“ Er kreiste jede Kollision mit einem roten Stift ein, der auf dem Tisch lag und mit dem er immer herumspielte.
„Einmal hier. Caitlin? Hier haben wir doch das erste Arkanum gefunden.“
„Richtig“, erwiderte das Mädchen.
„Diese Punkte hier bilden einen Pfeil, der auf den Rand der Karte zeigt… Wahrscheinlich liegt hier auch ein Arkanum. Das müsste dann… Im Eisgebirge liegen…“
„Korrekt“, bestätigte Jesse und deutete auf eine weitere Überschneidung von Punkten mit einem Ort auf der Karte.
„Hier hätten wir dann das dritte Arkanum“, sagte er und Jason kreiste den Punkt ein. „Und die vierte Kollision ist nicht bei den Alten Gräbern“, murmelte Giada. „Sondern hier!“ Sie tippte auf die Stelle der Karte, die die Mausoleen zeigten.
„Und dann stimmt die Beschreibung von Locor Narcana.“
„Genau“, bekräftigte Acia.