Sie trafen alle zur gleichen Zeit ein. Ein vor sich hin fluchender Jones, der sich einmal mehr schalt, dass er sich überlegt hatte, doch Acia Merchant sprechen zu wollen. Drei Kinder, die ein Bild von Locor Narcana gefunden hatten und stolz darauf waren, dass sie einen so wertvollen Fund gemacht hatten. Und drei Kinder, die eine Karte von Circur dabei hatten, auf der alle historischen Bauwerke verzeichnet waren, sowie ein dünnes schwarzes Buch, in dem nur drei Seiten beschrieben worden waren. Sie alle gingen in die Fabrikhalle. Jones wurde von zwei Controllern bewacht und konnte erst einmal nicht mit Acia reden. Was ihn am meisten verärgerte, war, dass er nicht mit anhören konnte, was Acia, Jesse, Josh, Carry und die anderen vier miteinander besprachen. „Wer fängt an?“, fragte Jason, als sich alle gesetzt hatten, die etwas zur Suche nach dem vierten Arkanum beigetragen hatten.
„Du“, bestimmte Acia und Jason legte den Zettel, den er ausgedruckt hatte, auf den Tisch.
„Ich habe lange gerätselt, was das bedeuten könnte, was die beiden Arkana da gesagt haben. Da habe ich die Sätze in mein Algorithmusprogramm eingegeben und dann kam das heraus, was ihr da lesen könnt. Nun wusste ich nicht so recht, was das heißen sollte, zumal das ja noch viel sinnloser ist, als zuvor. Aber wenn man mal eine Antwort auf die beiden Fragen sucht, wo es ist und was es ist, kommt man zu dem Schluss, dass das eigentlich völlig unsinnige Fragen sind.“ Er machte eine Kunstpause, ehe er fortfuhr. „Auf die Frage Wo bin ich? kann man ganz leicht eine Antwort geben. Das Arkanum des Feuers haben wir in einem dunklen Zimmer, das sonst wo war, gefunden. Es war tief unter der Erde. Das Arkanum des Wassers haben wir in der Kanalisation gefunden, was auch tief unter der Erde war. Demnach könnte es ja sein, dass die anderen beiden Arkana ebenfalls unter der Erde liegen. An einem Ort, der direkt oder indirekt mit dem Element zu tun hat, das sie verkörpern.“
„Das ist doch schon mal zufriedenstellend“, unterbrach Acia.
„Ich bin noch nicht fertig“, sagte Jason und fuhr fort. „Auf die Frage Wer bin ich? kann man leider keine ganz so genaue Antwort geben, zumal da ja immer Du bist ein Arkanum herauskommt. Ich habe mir mal den Kopf zerbrochen, was man antworten könnte. Vielleicht ja Locor Narcana, der die Arkana gebaut hat…“ – „Wo du nicht ganz falsch liegst“, unterbrach Caitlin. „Er hat ein Buch geschrieben, in dem steht, dass er die vier Arkana erschaffen hat, damit die Kanzlerin wieder vernichtet werden kann. Er schreibt auch, dass er maßgeblich an ihrer Macht beteiligt war und ihm das Leid tut.“ – „Ganz recht“, fuhr Jesse fort. „Zudem hat er geschrieben, Moment, ich lese es euch vor… Sucht die Arkana in der Reihenfolge, denn nur dann werden sie den Weg zu nächsten Arkanum zeigen. Und wenn ihr alle beisammen haben solltet, oh dann, meine lieben Verbündeten, dann sucht mich! Und wenn man dem Glauben schenken kann, heißt das, dass uns alle drei Arkana zusammen den Weg zum vierten zeigen und wir dann Locor suchen müssen, wobei er ja tot ist. Das ist der Punkt…“ – „…den wir nicht verstehen“, vollendete Acia den Satz. Die Karte hatte sie noch nicht gezeigt, und das sollte vorerst so bleiben. „Und was habt ihr herausgefunden?“
„Wir haben ein Bild von Locor Narcana gefunden“, eröffnete Josh seine Präsentation und breitete die zusammengerollte Leinwand auf dem Tisch aus. Die Ecken beschwerte er mit Jasons Computer und drei Büchern, die auf dem Tisch lagen. Eines davon war das Buch von Locor Narcana. „Wenn man sich die Kette, die er um seinen Hals hängt, mal genauer ansieht, erkennt man, dass sie eine Karte von Circur darstellt. Was diese kleinen Punkte bedeuten könnten, wissen wir nicht.“ – „Das sind die Orte in der Stadt, an denen ein Kanaldeckel zu finden ist“, sagte Caitlin.
„Du musst es ja wissen“, erwiderte Giada. „Die wandelnde Straßenkarte.“ Caitlin nahm dies als Beleidigung auf, stand auf und ging weg. „Na los!“, rief Acia Giada zu. „Jetzt geh dich entschuldigen!“ Dann sprang auch die Angesprochene auf und folgte Caitlin, die in Richtung Jones gegangen war. Acia fuhr indessen fort und breitete jetzt die Karte aus, die sie in ihrem Elternhaus gefunden hatte und an der so schmerzliche Erinnerungen hafteten, dass sie sie am liebsten verbrannt hätte. „Wir haben noch diese Karte hier gefunden“, sagte sie. „Auf der sind alle historischen Orte von Circur eingezeichnet, auch wenn das nicht allzu viele sind. Hier ganz am Rand ist die Äußerste Grenze, und hier der Palast der Macht, der auf dem Bild…“ Acia hob die Karte hoch und deutete auf das C auf der Kette, die Locor Narcana umhatte. „…diesem C entspricht. Dann hätten wir hier die alte Kirche und hier…“ Acia tippte auf eine Stelle, die mit einem starken Rot eingekreist war. „… hier wären die Alten Gräber und Mausoleen.“
„Wo ist Iris?“, fragte Carry auf einmal.
„Wieso?“, kam es von den anderen zurück.
„Haben wir einen großen Bogen Papier?“, fragte das rothaarige Mädchen statt eine Antwort zu geben.
„Beides trifft zu“, antwortete Acia. „Jason? Kannst du mal einen großen Bogen Papier und Iris besorgen?“
„Gern“, erwiderte Jason und verschwand durch eine Tür im hinteren Teil der Fabrikhalle. Kurze Zeit später kehrte er mit Iris und einem großen Papierbogen zurück.
„Iris?“, fragte Carry. „Du kannst doch malen…“
„Ich denke schon. Was denn?“
„Kannst du das, was in der Kette, die Locor Narcana anhat…“ Carry fegte die Karte von Acia beiseite, die daraufhin empört nach Luft schnappe. „Hier. Das hier. Kannst du das auf das Format von dieser Karte vergrößern?“
„Aber gern“, sagte Iris nicht ganz ohne Stolz. Dann nahm sie Jason den Stift, den er immer noch in der Hand hielt, ab, ergriff den Bogen Papier und das Bild von Locor Narcana und ging zur Bühne. Dort legte sie beides nebeneinander und fixierte die Kette des Erfinders. Darauf schloss sie die Augen und setzte den Stift an. Binnen kurzer Zeit hatte sie die Karte vergrößert. Sie nahm das Portrait und den nun nicht mehr leeren Bogen Papier in die Hand und legte beides auf den Tisch. Dann ging sie. „Danke!“, rief Carry Iris hinterher, die sich darauf nur kurz umdrehte und winkte. „So… und jetzt…“ Carry ergriff die von Iris gezeichnete Karte und legte sie auf die Karte, die Acia mitgebracht und wieder auf den Tisch gelegt hatte. „Jetzt haben wir die Karte mit den historischen Gegenden und den Kanaldeckeln auf einer Karte!“
„Wie unnötig!“, stöhnte Jesse und kassierte für die Bemerkung einen herzhaften Tritt gegen das Schienbein. „Hier!“, rief Caitlin plötzlich so laut, dass alle Anwesenden zusammenzuckten. „Hier ist eine Überschneidung.“ Sie deutete auf eine Stelle, an der ein Kanaldeckel mit den Alten Gräbern kollidierte.
„Und das heißt“, folgerte Acia. „Dass wir da suchen müssen.“
„Hey!“, rief da eine männliche Stimme laut durch die Halle.
„Oh, wir haben Jones ganz vergessen!“, stöhnte Giada mit einer beinahe entsetzten Stimme.
Acia und ihre Freunde wandten sich dem Mann zu, der immer noch von den beiden Jungen bewacht wurde.
„Jones…“, sagte Acia kühl, als sie den Mann erreicht hatte. „Ich habe da eine Frage.“
„Die da wäre?“, fragte der Mann und riss sich von den beiden Controllern los.
„Wie viele Arkana hat Themma Tighhoor?“
„Eine ganz raffinierte, was?“, neckte Jones das Mädchen. „Das werde ich dir ganz sicher nicht verraten.“
„Oh doch, das wirst du.“
„Gut. Sie hat… zwei. Und bald drei. Und dann alle vier…“
„Dann richte ihr doch bitte aus, sie möge heute Nacht zu den Alten Gräbern kommen. Dort kann sie nur mit unserer Hilfe das vierte Arkanum finden.“ – „Wie soll ich das tun, wenn ihr Bastarde mich hier festhaltet?“, schrie Jones verärgert.
„Ade“, sagte Acia nur kühl und wandte sich von dem Mann ab. „Du kannst gehen.“
Jones stapfte wütend auf das Tor zu. Sollten diese Kinder doch machen, was sie wollten. Er würde der Kanzlerin sicher nicht sagen, dass die Controller sie heute Abend bei den Alten Gräbern erwarteten. Das konnte gut Acia Merchant übernehmen. Für Botengänge war Jones nicht zu haben.
Er nicht!
Es sei, sie kamen von Themma Tighhoor höchstpersönlich. Da würde er immerhin auch ordentlich Geld für erhalten. Er raste die Straße entlang und schlug den Weg in Richtung Wirtshaus ein. Das Geld musste schließlich gut investiert werden. Und da würde ein guter 1850er Wein die beste Investition sein. Da war sich Jones ganz sicher.
Spät am Abend bei den Alten Gräbern
Acia war sich sicher, dass Themma auftauchen würde. Und die Arkana der Macht würde sie sicher auch mitbringen. Es war mittlerweile so dunkel, dass die drei Controller, die zu dem Friedhof gegangen waren – Acia selbst hatte Jason und Lionel noch mitgeschleppt. – nicht erkennen konnten, wenn jemand kommen würde. „Sie kommt nicht“, maulte Jason und sah über den Friedhof. Die Beine ließ er von dem großen Grabstein baumeln, auf dem sich die drei Kinder niedergelassen hatten.
„Kannst du mir mal verraten, warum du so pessimistisch bist?“, fragte Acia und starrte in die Finsternis.
„Er ist müde“, sagte Lionel anstelle von Jason, der nur mit dem Kopf nickte.
„Lionel hat Recht“, gähnte Jason. „Seht doch mal, wie spät es ist! Wir haben zwei Uhr morgens…“
„Na gut“, entschied Acia schließlich. „Gehen wir.“
Die drei Kinder sprangen vom Grabstein herunter und verließen den Friedhof müde und enttäuscht. Acia konnte sich denken, warum Themma nicht aufgetaucht war. Das werde ich Jones heimzahlen, dachte das Mädchen im Stillen und folgte den beiden Jungen.