carmen – das heißt „Lied“ oder „Gedicht“ auf Latein. Weißt Du, warum es beide Bedeutungen haben kann? Gedichte oder auch Theatertexte wurden im Lateinischen früher skandiert, das bedeutet, sie wurden in einem bestimmten Versmaß gesprochen. Bei Ovid ist das zum Beispiel sehr häufig zu finden, zum Beispiel in seinem prooemium der bekannten Metamorphosen.
In nova fert animus mutatas dicere formas
corpora; Di, coeptis (nam vos mutastis et illas)
adspirate meis primaque ab origine mundi
ad mea perpetuum deducite tempora carmen!
aus: lateinheft.de (20.06.2020)
Der Pan
Ein ziegleinches Wesen steht mitten im Grünen
Und spielt von den Bäumen die Blätter und Blüten.
Da seufzt die Natur und schüttelt die Losen
Durch den Wind hinab in das Reich der heimlichen Toten.
Das ziegleinche Wesen packt sein klein‘ Säcklein
Und springt durch die Grauen, bitterbös‘ meckernd, dem Feuer entgegen.
Als sich das Graue und Dunkle, einst Grüne, die Einsamkeit teilen,
Erbarmt sich dort jemand und fängt an zu weinen.
Er vergießt seine eigene, innere Schuld,
Vergisst aber, dass die Natur von seinem salzigen Wasser niemals gestillt.
Das ziegleinche Wesen spielt dem Feuer in’s Auge
Und lässt den Flammengott Rago mit eisigen Blicken versteinern.
Die Welt ist schwarz, pechschwarz, wie ein Rabe,
Und eine weinende Seele wird getragen zu Grabe – Mit Kreuz in der Hand und losem Verstand.
Das Meckern des ziegleinchen Wesens
Liegt über der Stille ganz wie ein schauriger Segen.